Nach dem Bankenbeben „Die Schweiz bleibt ein Hort für Sicherheit und Stabilität“
Das Drama um die Credit Suisse hat den Ruf des Finanzplatzes Schweiz beschädigt. Hongkong und Dubai buhlen um das Vermögen der Reichen. August Benz von der Schweizerischen Bankiervereinigung glaubt weiter an die Vorteile seiner Heimat.
WirtschaftsWoche: Wie bewerten Sie die Entscheidung, dass die UBS die angeschlagene Credit Suisse übernehmen soll?
August Benz: Die Lösung ist sinnvoll, weil sie die Stabilität und Sicherheit des Finanzplatzes weiter garantiert. Wichtig war, dass am darauffolgenden Montag das Bankensystem normal funktioniert hat: Zahlungen, Löhne, Wechselkurs-Transaktionen. Mögliche Ausfälle hätten schwerwiegende Folgen für die gesamte Volkswirtschaft gehabt. Mittlerweile hat die Debatte darüber begonnen, was die Einigung bedeutet.
Was ist Ihre Interpretation?
Es ist gut, dass man eine Lösung gefunden hat. Es gab zu diesem Zeitpunkt drei Optionen. Man hätte die Credit Suisse nach den „Too big to fail“-Regelungen abwickeln können, oder sie komplett verstaatlichen können. Die dritte Lösung ist eine privatrechtliche – und diese wurde nun gewählt.
Eine Verstaatlichung hat sich aus Sicht der Politik nicht angeboten, weil dann noch mehr Steuergeld im Feuer gewesen wäre. Immerhin sind in diesem Jahr in der Schweiz Wahlen.
Bis jetzt sind keine Steuergelder geflossen. Die Liquiditätsunterstützung durch die Zentralbank ist ein Standardinstrument, das immer wieder angewandt wird.
Zur Person
August Benz, Jahrgang 1969, ist Geschäftsführer der Schweizerischen Bankiervereinigung. Der promovierte Staatswissenschaftler war viele Jahre für die UBS tätig.
Der Staat hat aber Garantien in Höhe von neun Milliarden Franken zugesagt für den Fall, dass die UBS mit faulen Wertpapieren der Credit Suisse Verluste erleidet.
Weder die UBS noch die Behörden wollen, dass dieses Szenario eintritt. Die UBS würde, falls Verluste fällig werden sollten, diese bis zu einer gewissen Schwelle selbst übernehmen. Der Bund hat der UBS zudem eine Garantie im Umfang von 9 Milliarden Franken zur Übernahme von potenziellen Verlusten aus bestimmten Aktiven ausgesprochen, die die UBS im Rahmen der Transaktion übernimmt, sofern in Zukunft allfällige Verluste eine bestimmte Schwelle überschreiten sollten. Man muss verstehen: Die Verantwortlichen der UBS konnten ja schon rein zeitlich nicht in vollem Umfang in die Bücher der Credit Suisse schauen, bevor sie der Übernahme zugestimmt haben.
Warum dann keine Abwicklung nach den „Too big to fail“-Regeln?
Weil die gefundene Lösung die bessere ist.
Also finden Sie die Lösung auch gut?
Niemand hat sich das gewünscht. Aber wie es ausschaut, war es die beste Lösung unter den verfügbaren Optionen.
Welchen Schaden hat der Finanzplatz Schweiz durch dieses Wochenende genommen?
Zentral ist, dass dessen Angebot ohne Einschränkungen zur Verfügung steht. Der Schweizer Finanzplatz ist stabil und funktioniert. Das ist der wichtigste Beitrag für den Ruf des Schweizer Finanzplatzes. Am Ende des Tages entscheiden die Kundinnen und Kunden durch ihre täglichen Entscheidungen über die Reputation des Finanzplatzes.
Gutes Stichwort. Die Schweiz hat im Ausland bei wohlhabenden Menschen den Ruf als Hort des sicheren Geldes. Werden diese Kunden ihr Geld aus der Schweiz abziehen?
Die Schweiz bleibt ein Hort für Sicherheit und Stabilität. Aber es ist natürlich so, dass Kundinnen und Kunden Fragen stellen. Das ist berechtigt. Dennoch: das Vermögensverwaltungs-Geschäft hat eine 150-jährige Geschichte in der Schweiz. Man bekommt hierzulande enorm gute Dienstleistungen geboten, wenn man sein Geld anlegen möchte. Wenn Kunden Banken in der Schweiz Geld anvertrauen, kann man in alle möglichen Währungen und in eine breite Produktpalette investieren. Ich bin überzeugt, dass Kunden dies zu schätzen wissen.
Werden die Kunden ihr Risiko dann jetzt nicht eher aus der Schweiz heraus in Standorte wie London, Singapur, Hongkong oder Dubai diversifizieren?
Die Kunden haben jetzt schon die Möglichkeit, beispielsweise über eine Schweizer Privatbank ihr Geld in diesen Regionen anzulegen. Neben den Dienstleistungen der Banken in der Schweiz gibt es jedoch noch weitere Vorteile: der Schweizer Franken als stabile Währung, die starke Wirtschaft, die geringe Inflation. Die Schweiz ist weiterhin attraktiv.
Auf der anderen Seite verschwindet mit der Credit Suisse eine Ikone des Aufstiegs der Schweiz. Das muss doch am Selbstbewusstsein aller Banker nagen.
Es ist ein historisches Institut. Natürlich bewegt das die Menschen. Die Bank, wie wir sie kennen, wird es wohl nicht mehr geben. Nichtsdestotrotz: Die Swissair gibt es auch nicht mehr. Aber dafür gibt es die Swiss.
Es soll massiven Druck von Seiten der Amerikaner und Briten auf die Schweiz bei der Bankenübernahme gegeben haben. Wie sehen Sie das?
Wenn eine global systemrelevante Bank in diese Situation gerät, muss man sich auch international abstimmen, weil die Finanzplätze miteinander verbunden sind. Der Bundesrat hat klar verneint, dass sie durch ausländische Regierungen zu dieser Einigung gezwungen wurde.
Darüber hinaus steht die Schweiz wegen ihrer Neutralität in der Kritik. Die Schweiz weigert sich, Ländern wie Deutschland Exportgenehmigungen für Schweizer Munition in die Ukraine zu zahlen.
Die Geopolitik hat sich verändert. Die Schweizer diskutieren seit ihrer Staatsgründung, welche Auswirkungen die Neutralität hat. Es gab die Debatte immer wieder. Es ist allerdings eine politische Diskussion. Die Banken in der Schweiz sind global vernetzt und halten dementsprechend die internationalen Standards vollumfänglich ein, so auch die EU-Sanktionen gegen Russland.
In der Schweiz wird jetzt über eine schärfere Regulierung des Banksystems debattiert.
Es ist wichtig, erst mal zu verstehen, wo genau das Problem zu verorten ist. Für diese Analyse muss man sich Zeit nehmen. Die Gefahr ist, dass nun schnell etwas reguliert wird – aber dadurch das Problem nicht gelöst wird. Es ist derzeit noch nicht geklärt, wie die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS konkret umgesetzt wird.
Was ist Ihrer Meinung nach der Grund dafür, dass es überhaupt so weit kommen konnte?
Es handelte sich um eine Vertrauenskrise.
Kann man das regulieren?
Aus meiner Sicht geht Vertrauen zurück auf die Kultur einer Firma. Ich habe viele Jahre für die UBS gearbeitet und während dieser Zeit auch die Rettung der UBS durch den Staat erlebt. Aus dieser Zeit weiß ich: Die Kultur muss eine Firma von oben vorgeben und von allen gelebt werden. Ein Staat kann Vertrauen und Kultur nicht regulieren.
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Author: Daniel Edwards
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